Das "Mobile Klafter"

Das "Klafter" – ein altes Liechtensteiner Flächenmass in der Grösse von 189 x 189 cm – dient als Sockel, Bühne und Plattform für Kunst. Es transportiert sowohl den monetären als auch den emotionalen Wert, der je nachdem, wo diese Kunst präsentiert wird, stark variieren kann – sei es in einem Land oder einer Institution.

Künstlerinnen und Künstler produzieren Kunst im genauen Format eines Klafters oder präsentieren ihre Kunst auf einem Klafter, fotografieren und dokumentieren sie und senden sie dann mit einem Text (maximal 700 Zeichen) und drei aussagekräftigen Fotos an mail@klafter.li, wo sie kuratiert und gegebenenfalls veröffentlicht wird.

Gemeinsam möchten wir mit der Kunstaktion den Wert und die Wertschätzung der Kunst stärken.

Demet Akbay und Andreas Oesch zeigten ihr "Mobiles Klafter" hinter der Kathedrale San Geremia am Canale de Cannaregio.

Im Herzen von Venedig, auf einem Tuch in der Grösse eines Klafters, fanden sich Kunst und Liebe in einer unvergesslichen Symbiose wieder. Während wir uns auf dem Tuch niederliessen, um die Verlobung zu feiern, schien die Stadt wie eine lebendige Leinwand, auf der ihre Liebe gemalt wurde. Der schimmernde Kanal, das sanfte Licht der Sonne bildeten ein Kunstwerk, das nur Venedig bieten konnte. Die Liebe, im Einklang mit der atemberaubenden Schönheit der Stadt, wurde zu einer lebendigen Skulptur aus Emotionen und Versprechen, festgehalten auf einem schlichten, aber bedeutungsvollen Tuch in der Grösse einen Klafters. Kunst und Liebe, vereint in der Magie eines einzigen Augenblicks.

Die Künstlerin präsentierte ihr Mobiles Klafter in der Calle Stretta de Morosini.

Das Klafter als menschliches Mass

Der römische Architekt Vitruvius befasste sich bereits 25 Jahre vor Christus mit den Proportionen des menschlichen Körpers, ein Konzept das von Leonardo da Vinci zeichnerisch umgesetzt wurde. Platon schliesslich erkannte darin eine göttliche Ordnung. Ernst Neufert schliesslich erklärte 1926, dass das Metermass diesen klassischen Ansatz überwunden hat.
 

Um ein besseres Verständnis für die Dimensionen eines Klafters zu erhalten, das sechs Fuss misst (ein Fuss=29.6cm) habe ich mich und vier Metermasse in die Calle Stretta de Morosini gestellt. Die Empfindung von Raum bezieht auch die gefühlsmässige Seite des Menschen ein.

Enge Übergänge so auch die Seufzerbrücke stehen symbolisch für menschliche Schicksale. Dem Streben nach einem menschlichen Wert stehen geometrisch kombiniert die architektonischen Grundformen Kreis und Quadrat gegenüber. Der Satz von Protagoras im 5. Jahrhundert vor Christus "aller Dinge Mass ist der Mensch" galt dem überindividuellen Menschen. Die Renaissance hingegen hat es umgekehrt verstanden und sah in den menschlichen Massverhältnissen die Grundlage für Vollkommenheit und Schönheit.

Die Frage bleibt: Wer sind wir heute gemessen an den Bauten und Kunstwerken von damals?

Die Künstlerin und Kuratorin präsentierte ihr mobiles Klafter in Guidecca an einer Ein- und Ausstiegsstelle der Vaporetti. 

Hier über Glück nachdenken. Aber was bedeutet Glück? 
Laut Artistoteles ist es das höchste Ziel des menschlichen Lebens, glücklich zu werden. 
Viele Ansätze zum Glücklichsein gibt es; Neues und Aussergewöhnliches entdecken oder anpacken, an die eigenen Grenzen gehen, an Widerständen wachsen, offen für Veränderungen bleiben. Zeit für Beziehungen und für sich selber nehmen und einen neuen Blick aufs Leben suchen. Zufriedenheit. Hin und wieder einfach nichts tun, das «dolce far niente» geniessen. Das Glück im Kleinen finden. 
Wie herrlich ein Glas Wasser zu trinken, wenn man einen Riesendurst hat! 
Ausgehend vom Biennale Titel «Foreigners Everywhere» und der direkten Lage hier am Mittelmeer mit den vorbeifahrenden Schiffen drängt sich der Gedanke auf, dass es grosses Glück braucht für Geflüchtete, das Ufer zu erreichen und an Land zu kommen. 
«Molto felice e grato», sei er, erzählte ein Passant die Sprayaktion betrachtend, dass er hier auf dieser Insel von Geburt an leben dürfe. 

Die Künstlerin YOLY präsentiert ihr Mobiles Klafter an unterschiedlichsten Orten in Venedig.

Welche Wertschätzung wird einem Kunstwerk zuteil, wenn dieses auf der Fläche eines liechtensteinischen Klafters in Vaduz gezeigt wird? Wird die Wertschätzung eine andere, wenn es auf einem Klafter in Venedig präsentiert wird?

Werbeplakate vergangener Ausstellungen werden zum "Mobilen Klafter" für YOLYs Werke auf Venedigs Boden.

Die Reise führt von Dorsoduro, dem Ausgang des Liechtenstein-Auftritts während der Biennale, zum Palazzo Cavalli-Francchetti und weiter in die Biennale Gardini zum Österreichischen Pavillon sowie in den Schweizer Pavillon. Einen besonderen Eindruck hinterlässt die Aussätzigen-Insel Lazzaretto Vecchio. In Murano in der Glasbläserei von Adriano Berengo und dessen in Ausstellung «Glasstress 8 ½» lebt die Kunst grosser internationaler Künstler und Künstlerinnen. Und auf Burano zwischen den bunten Häusern lässt die Stille die Kreativität leuchten. An all diesen Orten durfte YOLYs «Mobiler Klafter» für einen Moment der Wertschätzung verweilen und die Frage nach dem Wert von Kunst hinterfragen.

Wird die Wertschätzung und der Wert des Werkes grösser, wenn dieses immer wieder den Ort des Ausstellungs-Klafters wechselt: von tristen Gegenden zu angesagten Städten, von unbekannten Plätzen zu wichtigen Museen oder Weltausstellungen?

Welche Wertschätzung erfährt das Werk durch den Betrachter? Und erfährt der Künstler selbst auch Wertschätzung über den Standort des Klafters, auf welchem seine Werke gezeigt werden? YOLYs «Mobiler Klafter» eröffnet an allen Präsentationsorten eine interessierte Diskussion.

Hier geht es zur «Klafter Website» von Yoly Maurer.

Dagmar Frick-Islitzer zeigte ihr "Mobiles Klafter" am Campo Santa Maria Formosa. 

Klafter werden vor allem mit Geld bezahlt. Das Geld zeigt Dagmar Frick-Islitzer in Form einer Collage mit 240 unterschiedlichen Münzen aus der ganzen Welt, die sich spiralförmig von der Mitte mit der ältesten Münze von 650 v. Chr. nach aussen windet und mit jüngsten Münzen aus unserer Zeit endet. Die Münzen sind umrandet von schwarzen Silhouetten vieler Menschen, deren Köpfe, Oberkörper und Beine zu erkennen sind. 
Die Spiralform zeigt sich auch auf dem schwarzen Klafter am Boden, ausgebreitet im 2. Stockwerk des Palazzo Vitturi am Campo Santa Maria Formosa in Venedig. Es ist eine Malerei auf Kunststofffolie von Dagmar Frick-Islitzer. Am hinteren Ende steht eine Büste mit einem bodenlangen Kleid aus dunkelrotem Samt. Die Künstlerin stellt sich passgenau dahinter, trägt einen dazugehörenden Stoffkranz mit Schleier und eine venezianische Maske und hält die Collage mit den Münzen in ihren Händen. Damit ist sie nur mehr schwer erkennbar. Sie steht stellvertretend für die vielen Bodenbesitzer:innen in Liechtenstein und anderswo. Wer wie viel besitzt, bleibt für viele ein Geheimnis – ausser für das Grundbuchamt und die Steuerbehörde.

Hier geht es zur Website von Dagmar Frick-Islitzer.

Die Liechtensteiner Künstlerin Hanni Schierscher installierte ihr Klafter bei "Corte delle case Nove" auf der Insel Sant' Elena.

Eigentlich ist ja Klafter in Liechtenstein ein Flächenmass von ca. 1,9 x 1,9 Metern. Im ländlichen Sprachgebrauch im deutschsprachigen Raum ist es jedoch eher ein Raummass. Ein Klafter Holz sind 3 Ster, sind ca. 6,86 Kubikmeter. Das taugt mir mehr, weil ich ein altes, handgewebtes und geflicktes Betttuch aus meiner Familie auf einem Platz in Venedig ausgelegt habe auf das Mass eines liechtensteinischen Klafters, also ca. 1,9 x 1,9 Quadratmeter, und die Menschen, die darauf geschlafen haben, räumlich mitgedacht sind. Auf dem Foto ist auch Wäsche der Anwohner des Platzes, zum Trocken aufgehängt, zu sehen. Und ich bin, besser wir sind, zu Gast wie Migranten, die dort vielleicht nächtigen wollen. Gäste und Gastgeber an einem Ort, der Piazza, dem Treffpunkt und Mittelpunkt der dortigen Gemeinschaft. Im Hintergrund eine Mauer: Auch sie hat schon viel erlebt, ist geschlossen, da wo mal ein Durchgang war, vielleicht seit hundert Jahren oder mehr. Es ist ein intimer Moment ein Betttuch meiner Familie (in einem unserer Massstäbe), dort ausliegend zu sehen. So viele Menschen sind unterwegs…

Hier geht es zur Website von Hanni Schierscher.

Die Künstlerin Ursula Wolf machte auf dem Klafter eine Silent Dance Performance in Dorsoduro.

Hier gehts zur Website von Ursula Wolf.

Der Liechtensteiner Künstler Hansjörg Quaderer zeigte sich mit seinem Manifest und installierte sein Klafter bei Santa Maria Formosa.

Liechtenstein – ein Bodensatz
Boden ist ein Grundwort Liechtensteins. Im Grundbuch steht das Grundsätzliche...Was beschwören wir mit der Bodenhaftung? Was bedeutet die Redeweise, dass einem ein Vermögen auf ein Grundstück gewachsen sei? Was meint man, wenn man eine gewisse Bodenständigkeit beschwört? Was heisst Bodenhaftung?  Bei Bodenpreisen ist die Schmerzgrenze erreicht. Wie kommen Liechtensteins absurde Bodenpreise zustande? Wo wenig ist, da muss es viel wert sein, so bei Wein, Boden und Kunst. Wo es massiv zu und her geht, wird die Kunst moralisch überfrachtet. Stehen die Bodenpreise in Korrelation zu den Kunstpreisen?

Hier geht es zur Website von Hansjörg Quaderer.